In der unmittelbaren Nachkriegszeit erwachte in Schwabach wie auch in einigen anderen Gemeinden des heutigen Landkreises Roth, damals Landkreis Schwabach, für kürzere Zeit wieder jüdisches Leben. Hintergrund dieser Entwicklung waren die ab 1945 von den Alliierten eingerichteten Lager für Menschen jüdischen Glaubens, die aus den Konzentrationslagern befreit worden waren oder die heimatlos, entwurzelt bzw. gestrandet waren. Man bezeichnete sie und Menschen, die sich jenseits ihrer Heimat aufhalten mussten, als „Displaced Persons“ (kurz DPs). Im Bezirk Mittelfranken sind im Herbst 1946 sieben DP-Lager (einschließlich Kibbuzim) und sieben DP-Gemeinden nachweisbar. Die Statistiken verzeichneten hierfür eine Gesamtzahl von etwa 7.000 Juden, die vorwiegend aus dem osteuropäischen Raum stammten. Anfänglich wurden in Schwabach selbst sowie im umliegenden Landkreis nur wenige jüdische DPs registriert. Erst seit Dezember 1945 ließ sich die Existenz einer jüdischen Gemeinschaft nachweisen. Zunächst lebten nur zwölf Juden im Stadtgebiet und 15 Personen waren im damaligen Landkreis Schwabach untergebracht. Doch binnen kurzer Zeit stieg deren Anzahl auf 50 Personen an. Deshalb wurden auch im Stadtgebiet Wohnungen der deutschen Bevölkerung frei geräumt, um weitere Juden unterzubringen.
Das Gasthaus Siechweiher diente dem Jüdischen Kreiskomitee als Geschäftsstelle. (Foto: Sammlung Hans P. Grießhammer) |
Im März 1946 gründeten die jüdischen DPs eine autonome, um ihre Geschicke für dieses Lager, das gemeinhin als „Camp“ betitelt wurde, selbst in die Hand zu nehmen. So baten sie die amerikanische Militärregierung um die Erlaubnis zur Gründung eines unabhängigen Jüdischen Kreiskomitees Schwabach, das ab 6. März 1946 seine Arbeit aufnahm.
Mitteilung über die Wahl des Jüdischen Kreiskomitees am 19. Januar 1947. (Stadtarchiv Schwabach Hoberbürgermeister Hocheder Nr. 76) |
Der Schwabacher Landrat Tanhauser sorgte dafür, dass dieses Komitee ein Versammlungslokal in der Nördlingerstraße 2 erhielt. Dafür ließ er das ehemalige Restaurant „Siechweiher“ beschlagnahmen, das sich zum „Haus Tel Aviv“ verwandelte und dem Jüdischen Kreiskomitee als Verwaltungssitz und Treffpunkt diente. Vordringlich kümmerte sich das Komitee um die die Versorgung der DPs mit Wohnungen, Kleidung und Lebensmitteln. Darüber hinaus bildeten die schulische Bildung der Kinder, die Sorge um die berufliche Ausbildung und die Gewinnung von Arbeitsplätzen die weiteren Arbeitsschwerpunkte. Hinzu kamen Hilfestellungen in der Gestaltung des kulturellen, religiösem , sportlichen und politischen Leben. Im Spätsommer 1946 zog das Kreiskomitee in das Haus der alten Schwabacher Synagoge in die Synagogengasse 6. Als einer der ersten setzte sich hier Manuel Graf (geb. 22.11.1879) ein. Er war der einzige jüdische Überlebende aus Schwabach, der wieder zurückkehrte. In diesem Gremium wirkte er zusammen mit Heinrich Wien (geboren in Tschenstochau am 08.10.14) als Vorsitzender und Stefanie Schönherz (1.3. 1916 in Krakau geboren) bis zum Spätsommer. Im Januar 1947 fanden Neuwahlen für dieses Komitee statt. Aufgrund die gestiegenen Anzahl an DPs war auch die Zahl der hier Beschäftigten auf 23 gestiegen.
Fußballmannschaft Kadima Schwabach. (Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhundert e.V. https://www.nurinst.org) |
Nachdem immer mehr Juden die Stadt verließen, um nach Amerika zu emigrieren oder um in den neugegründeten Staat zu ziehen, reduzierte sich auch die Arbeit für das Kreiskomitee. Das Ende des Camps lässt sich nicht genau benennen. In der Literatur gibt es dazu unterschiedliche Angaben: Dezember 1950 lebten hier noch 8 Juden, deshalb heißt es auf der Internetseite „after the shoa…“ es sei Ende 1951 geschlossen worden. Gleichfalls gibt es aber auch die amerikanischen Listenvermerke, die auf den 30.09.1948 verweisen, allerdings lebten da noch 71 jüdische Bürger in dieser Stadt, so notierte es Jim G. Tobias im angegebenen Aufsatz.
In Schwabach durch das jüdische Kreiskomitee verlegte Schrift von Rachmil Gryszpan über die letzten Tage im Warschauer Ghetto. (Stadtarchiv Schwabach IV.3012) |
Literatur:
https://digitalcollections.its-arolsen.org › place › view 3.1.1.2 Listenmäßige Erfassung von DPs in DP-Lagern. ... Kreisfreie Stadt Fürth ; Kreisfreie Stadt Nürnberg ; Kreisfreie Stadt Schwabach ; Landkreis Ansbach (abgerufen am 12.09.2021).
https://www.after-the-shoah.org/mittelfranken-middle-franconia/ Mittelfranken | Middle Franconia – Jüdische DP Lager und ...https://www.after-the-shoah.org › mittelfranken-middle...vom 05.12.2017
Tobias G. Jim: Das Jüdische Kreiskomitee Schwabach 1946 -1949: „Wartesaal“ für Israel oder Übersee. In : Wohlstand, Widerstand und Wandel. Schwabach 1945 bis 1979. Schwabach 2000. S.9ff.