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Foto der Interviewpartnerinnen
Ekaterini Rizou zeigt Fotos aus der damaligen Zeit.
Griechische Frauen aus Schwabach sprechen über ihre Migrationsgeschichte und den Weltfrauentag in Griechenland

Die interviewten Frauen, Vasiliki Boussi und Ekaterini Rizou, verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft. Kennengelernt haben sich die beiden Frauen im Jahr 1969 über Boussis Tante, die wie Rizou für das Unternehmen Sasse arbeitete. Es sind zwei starke Frauen, die vor mehr als 50 Jahren allein nach Schwabach gereist sind, um der Armut in Griechenland zu entfliehen.

Sehnsucht nach Akzeptanz und Wertschätzung

Bereits im Alter von zwölf Jahren kam Boussi 1968 in die Goldschlägerstadt, um ihrem Vater Unterstützung zu leisten. Drei Jahre zuvor war dieser nach Deutschland ausgewandert, um die unter finanzieller Not leidende Familie zu unterstützen. Als Boussi damals mit dem Zug am Münchner Hauptbahnhof eintraf, wusste sie nicht, wie sie von dort aus weiter nach Schwabach kommen sollte. Zum Glück stieß sie damals ganz zufällig auf eine Gruppe griechischer Gastarbeiter, denen sie sich anschließen konnte. Ihren Vater hatte sie bei ihrer Ankunft in Schwabach beinahe nicht wiedererkannt: Die fränkische Küche schien ihm sehr gut zu schmecken.

Boussi hatte anfangs große Probleme dabei, sich an ihre neue Heimat und ihr soziales Umfeld zu gewöhnen. Schon nach kurzer Zeit, sehnte sie sich nach ihrer griechischen Heimat zurück. Es fiel ihr schwer, in Deutschland anzukommen und akzeptiert zu werden. Wie viele andere Gastarbeiter – egal ob Mann oder Frau – hatte Boussi mit vielen Herausforderungen im Alltag zu kämpfen: Häufig wurde sie als Ausländerin beschimpft und ausgestoßen. Die wohltuende Anerkennung für erbrachte Arbeit blieb aus. Bildung als Integrationsschlüssel? Boussis Vaters schien zu jener Zeit einer grundsätzlich anderen Auffassung zu sein: „In Deutschland musst du keine Schule besuchen. Hier kannst du Schafe hüten gehen.“ Erst der Nachzug ihrer Mutter und ihrer sechs Geschwister machte die Situation für Boussi erträglicher. Heute lebt Boussi in Rohr. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und zwei Enkelkinder.

Hilfsbereite Schwabacher Bürgerinnen und Bürger leisten Unterstützung

Rizou kam im Alter von 17 Jahren ohne ihre Familie nach Schwabach. Mit dem Schiff „Kolokotronis“ reiste sie im Jahr 1969 bis nach Italien und von dort weiter mit dem Zug nach Deutschland. Ihre einprägsamsten Erinnerungen an diese Zeit verbindet Rizou mit ihrer Tätigkeit für die Fima Sasse. Von ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen, aber auch von ihrem Vorgesetzen, wurde sie sehr gut behandelt. Ihr Chef hatte ihr damals eine eigene Wohnung zur Verfügung gestellt. In dem Wohnhaus lebten andere Gastarbeiter, aber auch deutsche Familien.

Rizou erinnert sich an diese Zeit, in der sie kaum ein Wort Deutsch sagen oder schreiben konnte. Ihr Interesse an anderen Kulturen und ihre Bemühungen um interkulturellen Austausch schafften die Grundlage für ein gegenseitiges Kennenlernen und voneinander Lernen. Im Gedächtnis geblieben sind Rizou vor allem ihre zwei Nachbarinnen, zwei herzliche ältere Damen, die sie des Öfteren zu sich nach Hause einluden. Eine ebenso gutmütige Art schien auch ihre Meisterin zu haben, die stets ein offenes Ohr für Rizous Ängste und Sorgen hatte und sie dann tröstend in den Arm nahm. Besonders dankbar ist Rizou ihrem damaligen Arbeitgeber: Er hatte maßgeblich dazu beigetragen, dass ihre fünf Geschwister und ihre Mutter bereits fünf Monate nach Rizous Ankunft in Schwabach nachziehen konnten. Aufgrund der Armut in Griechenland war es für die Familie Rizou nie eine Option, zurück nach Griechenland zu gehen. Heute lebt Rizou in Schwabach. Mit ihrem Mann, der wie Boussi aus Kalambaka kommt, hat sie drei Kinder und acht Enkelkinder.

Über die Bedeutung des Internationalen Frauentages

Der Weltfrauentag ist den beiden Frauen nicht fremd. In Schwabach haben Boussi und Rizou in der Vergangenheit an Aktionen der griechischen Gemeinde und des Internationalen Frauencafés teilgenommen. Sie finden es sehr wichtig, dass an diesem Aktionstag Themen wie Gleichberechtigung, Wertschätzung und Rechte von Frauen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden. In Griechenland wird der Weltfrauentag sehr groß gefeiert: Die Frauen gehen aus und feiern zusammen die bisherigen Errungenschaften der globalen Frauenrechtsbewegung. Für Rizou und Boussi scheint es so, als hätte sich für die Frauen in Schwabach hinsichtlich der Frauenförderung, Arbeitsbedingungen und der Ver- und Absicherung über die Jahre hinweg vieles verbessert. Gleichzeitig warnen die beiden Frauen davor, dass dabei kein Bild der Selbstverständlichkeit der Selbstentfaltung und Eigenständigkeit des weiblichen Geschlechts entstehen darf.

"Bist du eine Frau, bist du die Erde"

An die Leserinnen dieses Beitrages richten Rizou und Boussi ein Zitat des griechischen Autors Stylianou Stelios: „Bist du eine Frau, bist du die Erde.“ Der Weltfrauentag sollte Rizous Meinung nach jeden Tag gefeiert werden und habe ebenso große gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit wie der Internationale Tag der Arbeit verdient.